Nur der Blaumann kneift hier und da

Von wegen Männerdomäne: Auszubildende Anne Wehrmann aus Borna erlernt in Markranstädt einen Handwerksberuf an schweren Lkw. Sie wird Metallbauerin im Nutzfahrzeugbau.

Markranstädt. Kurz bevor bei Frank Fahrzeugbau in Markranstädt der Arbeitstag beginnt, herrscht in den Umkleideräumen unterhaltsame Betriebsamkeit. Während die Lkw-Mechaniker in ihre Arbeitskombis schlüpfen, wird das Fußballspiel ausgewertet, über Hobbys gesprochen oder die Planungen für das kommende Wochenende diskutiert. Hinter der Tür im Nebenraum herrscht hingegen Stille. Mit wem sollte sich Anne Wehrmann auch unterhalten? Sie ist die einzige Frau unter den rund 70 Mitarbeitern, die in den Werkstatthallen des Betriebes an tonnenschweren Lkw schrauben. Die 22-Jährige absolviert eine Lehre in einer Männerdomäne: Metallbauerin im Nutzfahrzeugbau.

Betriebe nicht auf weibliche Azubis eingestellt
Mit handwerklichen Tätigkeiten, an denen in ihrem Alter nicht mal Jungs Interesse zeigten, ist die Bornaerin schon früh in Berührung gekommen. „Schon als Kind habe ich viel Zeit im Schuppen meines Vaters verbracht“, schwärmt sie von dessen kleiner Hobbywerkstatt für Holzarbeiten. Handwerk und Holz, darin sah sie später auch ihre Berufung. Handwerk und Frau, diese Kombination erwies sich allerdings als problematisch. „Ich hatte mich bei fünf holzverarbeitenden Betrieben beworben. Vier davon hätten mich gern genommen, verfügten aber nicht über die Voraussetzungen zur Ausbildung weiblicher Gesellen.“

Die Absagen erfolgten insbesondere wegen fehlender Umkleideräume, Toiletten und Duschen für Frauen, hat sie erfahren. Genau entgegengesetzt verhielt sich die Situation beim Lkw-Spezialisten in Markranstädt. Hier gab es für die Werkstattbereiche von Beginn an getrennte Funktionsräume,
allerdings keine Mitarbeiterinnen. Bis sich Anne Wehrmann im Herbst 2021 hier um ein Praktikum bewarb. „Wir waren schon immer offen für Frauen in Handwerksberufen, darum habe ich bereits 1994 beim Neubau unseres Betriebes Wert darauf gelegt, dass die räumlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden“, freut sich Senior-Chef Klaus Frank über den späten Erfolg seiner Vision.

Anne Wehrmann durchläuft in ihrer Ausbildung alle Bereiche des Betriebes. Ölwechsel, Motoren einstellen, Hydraulik montieren, Rahmen richten oder schwere Räder auswuchten, das ist ihre Welt. Die Welt einer 1,60 m großen Frau, die „alles außer Büro“ mag und „mit Nagellack noch nie viel am Hut“ hatte. So ganz hat sie deshalb auch ihre erste Liebe nicht vergessen. Obwohl sie wegen der Nähe zum Arbeitsort inzwischen nach Leipzig-Grünau umgezogen ist, zieht es die angehende Metallbauerin immer mal wieder hin zum Holz und damit in die väterliche Werkstatt nach Borna. Dort hat sie zuletzt ein Regal für ihre neue Wohnung geschreinert, in der sie gemeinsam mit ihrem Freund, einem Elektriker, lebt. „Handwerk hat eben goldenen Boden“, meint sie strahlend.

Bei Frank Fahrzeugbau habe sie ihren Traumberuf gefunden, betont Anne Wehrmann, auch wenn man dabei nicht zimperlich sein dürfe. „Der Umgangston unter Männern ist nicht immer so sensibel wie in einem Kosmetikstudio. Aber meist ist das sogar lustig.“ Weniger heiter fällt ihre Kritik an die Hersteller von Arbeitskleidung aus. „Was ich hier trage, heißt wohl nicht ohne Grund Blaumann. Wenn man in einem Lkw herumkriecht, kann das Teil hier und da schon mal kneifen.“ Eine geeignete „Blaufrau“ habe sie noch nicht gefunden. Noch schwieriger sei die Suche nach passenden Arbeitsschuhen in Größe 39 verlaufen. „Obwohl die unisex sind, also für Männer und Frauen gleich, geht es in den Regalen meist erst so ab Größe 42 los.“

Feierabend bei Frank Fahrzeugbau in Markranstädt. In der Herrenumkleide werden Witze erzählt, der Tag ausgewertet oder Pläne für die Freizeit geschmiedet. Im Raum nebenan, in dem sich Anne Wehrmann auf den Heimweg vorbereitet, herrscht Ruhe. Aber vielleicht nicht mehr lange. Eine reine Männerbrigade ist die Lkw-Werkstatt in Frankenheim jedenfalls schon jetzt nicht mehr.

Quellennachweis: Leipziger Volkszeitung vom 29./30. März 2025, / Rainer Küster, Fotos: André Kempner